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Rund um das Wetter in Tunesien

KlimawandelWasserversorgung

Tunesien: Bis zum Jahr 2100 Rückgang der Niederschläge um 27% erwartet

Die tunesischen Behörden würden davon profitieren, wenn sie die Herausforderungen des Klimawandels in ihre Agrarpolitik einbeziehen würden. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die in Zusammenarbeit mit dem tunesischen Wirtschaftsbeobachtungszentrum, der Vereinigung „Nomad 08 Redeyef“ und dem tunesischen Wasserobservatorium (OTE) durchgeführt wurde. Es wird ein Rückgang der jährlichen Niederschlagsmenge erwartet, der zwischen -1% und -14% bis 2050 und zwischen -18% und -27% bis 2100 liegt.

Die Studie mit dem Titel „Les limites d’une politique de sécurité alimentaire: le cas de la filière céréalière“ (Die Grenzen einer Politik der Ernährungssicherheit: der Fall der Getreidewirtschaft) unterstreicht die vielfältigen Bedrohungen durch den Klimawandel, insbesondere die Beschädigung der Küstengebiete, die Überflutung von Landflächen sowie tiefgreifende Auswirkungen auf sozioökonomische Aktivitäten wie Landwirtschaft, Tourismus, Stadtplanung und Hafeninfrastrukturen. Sie hebt auch die Verschlechterung der Ökosysteme (Weidewirtschaft, Forstwirtschaft usw.) und die Verschlechterung der Wasserressourcen sowohl in Bezug auf die Quantität als auch auf die Qualität hervor.

Die Studie erinnert daran, dass die Projektionen des Nationalen Instituts für Meteorologie (INM) einen Anstieg der Durchschnittstemperaturen in Tunesien zwischen 2,1°C und 2,4°C bis 2050 und zwischen 4,2°C und 5,2°C bis zum Ende des Jahrhunderts vorhersagen. Parallel dazu wird auch ein Rückgang der jährlichen Niederschlagsmenge erwartet, der zwischen -1% und -14% bis 2050 und zwischen -18% und -27% bis 2100 liegt.

Obwohl Tunesien im August 2018 seinen Nationalen Plan zur Anpassung an den Klimawandel (PNA) gestartet hat, der vom Grünen Fonds mit 3 Millionen US-Dollar (ca. 8,29 Millionen Dinar) finanziert wurde, wurde keine sektorale Strategie, insbesondere für den Agrarsektor, entwickelt.

Der Klimawandel birgt auch erhebliche sozioökonomische Risiken. Die Zunahme extremer Wetterereignisse wird die Bodendegradation verschärfen, was zu geringeren landwirtschaftlichen Erträgen führen und sich negativ auf die Einkommen der Landwirte auswirken könnte.
Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums könnte der Verlust von Anbauflächen aufgrund von Bodenerosion bis 2030 rund 20% der Getreideanbauflächen erreichen. Dies würde zu einem Rückgang der Regenfeldgetreideproduktion um fast 40% führen, wovon vor allem der Norden des Landes betroffen wäre. Der Getreideanbau ist somit der Agrarsektor, der am anfälligsten für den Klimawandel ist.
Studien zum Getreideanbau im Norden schätzen, dass die Ertragseinbußen bei Getreide bis 2030 bei Hartweizen 2,04%, bei Weichweizen 9,62% und bei Gerste 6,78% betragen könnten.

Die Studie erwähnt auch, dass der geringe Ertrag lokaler Getreidesorten seit Jahrzehnten das Hauptargument internationaler Finanzinstitutionen für die Durchsetzung von gentechnisch verändertem Saatgut ist. Dies führte zur Entstehung zahlreicher Unternehmen, die gentechnisch verändertes Saatgut importieren, oft in Partnerschaft mit multinationalen Konzernen, die den globalen Saatgutmarkt beherrschen, wodurch die Abhängigkeit Tunesiens von diesem Markt noch verstärkt wurde.
Derzeit werden 100 lokale Weizensorten in der Banque Nationale des Gènes (BNG) aufbewahrt, aber nur fünf davon werden von den Getreidebauern genutzt, während es in den 1940er Jahren noch 50 waren. Dieser Rückgang der Nutzung von lokalem Saatgut bedroht die genetische Vielfalt und die Widerstandsfähigkeit von Nutzpflanzen gegenüber klimatischen Herausforderungen.

Darüber hinaus sind gentechnisch veränderte Sorten schlecht an die klimatischen Bedingungen in Tunesien angepasst und weisen eine geringere Widerstandsfähigkeit gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels und des Rückgangs der Niederschläge bis 2100 um 27% erwartet, auf. Sie erfordern häufigere chemische Behandlungen, was zusätzliche Kosten verursacht. Lokales Saatgut hingegen, das resistenter gegen Hitze und Wassermangel ist, muss nicht chemisch behandelt werden und ist somit weniger schädlich für Boden, Wasser, Tiere und die menschliche Gesundheit.

Die Studie weist auch darauf hin, dass der Saatgutsektor unter einem fehlenden Rechtsrahmen zum Schutz der genetischen Ressourcen und zur Ahndung von Verstößen gegen die Standards durch private Unternehmen, die Saatgut importieren, leidet.

Angesichts dieser Herausforderungen haben zwar einige Getreidebauern begonnen, auf bäuerliches Saatgut umzusteigen, aber die fehlende staatliche Unterstützung führt zu einer allmählichen Aufgabe des Getreideanbaus, mit dramatischen sozioökonomischen Folgen und einer zunehmenden Abhängigkeit von Importen.

Die Autoren der Studie fordern den tunesischen Staat daher auf, Strategien für das Management der natürlichen Ressourcen zu entwickeln, um die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken zu antizipieren und wirksame Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels umzusetzen. Diese Strategien müssen sich unbedingt auf Alternativen zu gentechnisch verändertem Saatgut konzentrieren, den Rechtsrahmen zur Unterstützung der Getreidebauern stärken und die Agrarpolitik auf nachhaltige Lösungen für die klimatischen Herausforderungen ausrichten.

Titelbild: Pixabay

Dieser Artikel (La Tunisie en alerte: une baisse de 27% des précipitations prévue d’ici 2100 à cause du changement climatique) ist in französischer Sprache erstmals bei La Presse erschienen