Niederschläge in Tunesien: Zukunftsprognosen im Lichte des Klimawandels
Die Geschichte der Wasseranlagen und -werke, die von den verschiedenen Zivilisationen in Tunesien geerbt wurden, sowie die geografische Verteilung der Kulturen, die von Schriftstellern wie Plinius dem Älteren, einem römischen Naturforscher aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., El Bekri, arabischer Geograf aus dem 11. Jahrhundert, und El Edrissi, arabischer Forscher und Geograf aus dem 12. Jahrhundert, beschrieben wird, ermöglichte eine gewisse Einschätzung und Zukunftsprognosen der Entwicklung des Klimas sowie des Wasserzustands und der Wasserpolitik in Tunesien.
Tatsächlich sind die römischen Aquädukte von Zaghouan-Karthago, die aghlabidischen Wasserbecken von Kairouan, die 365 Wasserspeicher in Sfax, die von den Almohaden gebaut wurden und weiter südlich in der Wüstenregion das kollektive Bewässerungssystem, das auf der Wasserverteilung basiert und von Ibn Chabbat im 13. Jahrhundert in Tozeur entwickelt wurde, allesamt Beweise dafür, dass Tunesien schon immer eine Wasserpolitik kannte, um seinen Mangel und sein Ungleichgewicht in Bezug auf die Verfügbarkeit und die räumlich-zeitliche Verteilung seiner Wasserressourcen zu bewältigen.
Die Beschreibung der Landnutzung vom Norden bis zum Süden des Landes durch diese Schriftsteller zeigt zwei wesentliche Realitäten: Eine viel üppigere Vegetation als heute mit Baumkulturen, die das ganze Land säumen, aber mit Spezialkulturen oder Anbauformen, die größtenteils der heutigen Agrarlandschaft ziemlich ähnlich sind: Getreide im Norden mit wunderschönen Gärten, in denen Quitten und Trauben, Mandeln und Granatäpfel angebaut wurden, Olivenbäume in der Sahelzone und in Sfax sowie in Gabes mit Henna und schließlich Palmen und Datteln in El Hamma und Tozeur.
Jenseits dieser Zone sprachen die Autoren von Morast und viel Sand, wo nur der Wüstenfuchs (Fennec) lebt.
Abschließend findet man fast die großen Linien der bioklimatischen Stufen, die das heutige Tunesien charakterisieren. Feucht bis halbfeucht im Norden, trocken bis halbtrocken in der Mitte und einem Teil des Südens und wüstenartig im äußersten Süden des Landes, mit Nuancen bei den Grenzen und Abgrenzungen dieser Stufen.
Die statistische Analyse zur Ermittlung von Trends und Zyklen, die auf die Niederschlagsreihen angewandt wurde, die von den Wetterstationen des nationalen meteorologischen Instituts im Zeitraum 1901 bis 1990 aufgezeichnet wurden, ergab eine gewisse Stabilität der Niederschlagskomponente, d. h. bis zum Jahr 1990 gab es weder einen Abwärts- noch einen Aufwärtstrend der Niederschlagsmenge, wobei in den 90 untersuchten Jahren drei Zyklen von jeweils 10 Jahren identifiziert wurden, 5 Jahre für einige Regionen und von 2 Jahren für die Mehrheit der untersuchten Stationen.
Starker Anstieg der Durchschnittstemperaturen ab den 1990er Jahren
Die Analyse der Veränderung historischer Temperaturdaten zeigt seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in vielen Regionen Tunesiens, vor allem im Süden, einen leichten Anstieg. Dieser Anstieg wurde in den 1990er Jahren wesentlich deutlicher. So sind die Durchschnittstemperaturen im Sommer im Vergleich zu den anderen Jahreszeiten sehr stark angestiegen. Dieser Anstieg ist etwa dreimal so hoch wie in der Wintersaison.
Ähnlich verhält es sich mit extremen Ereignissen. Neben Trockenheit und auch starken Niederschlägen wurde ein starker Anstieg von Hitzewellen festgestellt. Das Phänomen, das generell bemerkenswert ist, ist die Umwälzung des Wettergeschehens. Dies bedeutet, dass die Abfolge der Jahreszeiten gestört wird und die bisherigen Klimarekorde, insbesondere bei den Temperaturen, im Zeitraum 2021-2022 übertroffen werden.
In den Zukunftsprognosen werden häufigere Starkregenereignisse und bisher seltene Wetterphänomene vertrauter, wie z. B. Hitzewellen mit längerer Dauer, die die Auswirkungen der Erwärmung auf unser Land verdeutlichen und den Wasserkreislauf und seine Komponenten wie Verdunstung (Evapotranspiration), Regen und Oberflächenabfluss beeinflussen. Wir beobachten jedes Mal eine Dürre in einer bestimmten Region und eine verheerende Überschwemmung in einer anderen.
In Bezug auf Szenarien des Klimawandels haben Projektionen und Zukunftsprognosen, die vom Institut nach den Szenarien RCP 8.5 (Representive Concentration Pathway) und RCP 4.5 aus dem 5. Bericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) unter Verwendung einer großen Batterie von Klimamodellen mehrerer globaler Wetter- und Klimazentren erstellt wurden, zu bestimmten Zukunftsprognosen bis 2100 geführt:
- Steigende Temperaturen, extreme Phänomene wie Dürren, Hitzewellen und Überschwemmungen.
Geringere Niederschlagsmengen, mehr Extremereignisse
Laut des 6. IPCC-Berichts, der gerade fertiggestellt wird, wird die globale Temperaturschwelle von 1,5 °c bereits in 20 Jahren überschritten werden, ohne das Ende dieses Jahrhunderts abzuwarten.
Was den Niederschlag betrifft, so prognostizieren mehrere dieser Modelle einen Rückgang der Jahressummen im Vergleich zu den Durchschnittswerten. Dieser Rückgang ist im Falle Tunesiens in den Küstenregionen weniger ausgeprägt als im Landesinneren und im Süden des Landes. Im Vergleich zum Referenzzeitraum 1981-2010 wird dieser Rückgang bis 2050 zwischen 5% und 10% schwanken und kann im Süden und im extremen Zentralwesten des Landes bis zum Ende des Jahrhunderts 25% überschreiten, so das Szenario RCP 8.5, wenn die Treibhausgasemissionen weiterhin im derzeitigen Tempo steigen. Dieser Rückgang der Niederschlagsmenge betrifft vor allem die Art der stratiformen Niederschläge (gleichförmiger, langanhaltender Niederschlag aus einer geschlossenen, einheitlichen Wolkendecke), die durch geringe Intensitäten gekennzeichnet sind, aber länger anhalten und große Flächen betreffen.
Andererseits ist zu beachten, dass im Zusammenhang mit der von den meisten Klimamodellen vorhergesagten Zunahme von Extremereignissen kurzzeitige starke konvektive Regenfälle infolge komplexer meteorologischer Prozesse tendenziell häufiger und vor allem intensiver auftreten werden als in der Vergangenheit und somit zu großen Niederschlagsmengen führen können, die in außergewöhnlichen Wetterlagen sogar Überschwemmungen und Überflutungen zur Folge haben können.
Zukunftsprognosen und Empfehlungen
Unter Berücksichtigung der Analyse historischer und prognostizierter Klimadaten hinsichtlich Quantität, Qualität, räumlicher und zeitlicher Verteilung sowie der praktischen Möglichkeiten zur Widerstandsfähigkeit gegenüber den Auswirkungen der globalen Erwärmung lassen sich folgende Empfehlungen formulieren:
- Aufwertung unseres Erbes, das auf dem Know-how der verschiedenen Zivilisationen beruht, die das Land besiedelt haben, um die bereits erworbene Widerstandsfähigkeit, insbesondere im hydro-agrarischen Bereich, wiederzuerlangen und den klimatischen Unwägbarkeiten, von denen unser Land seit jeher betroffen ist, zu begegnen,
- Umfangreiche Aufforstungsmaßnahmen einleiten und Wälder wiederherstellen, da der Wald durch seine Beschattung viel zur Senkung der Temperatur in Bodennähe beiträgt und auch an der Wolkenbildung beteiligt ist, indem er die Feuchtigkeit seines Laubes durch den Prozess der Evapotranspiration in die Atmosphäre abgibt,
- Untersuchung der Möglichkeit, eine rationelle Bewässerung zu intensivieren, indem u. a. überschüssiges Regenwasser genutzt wird, um mögliche Ertragseinbußen in der regenbasierten Landwirtschaft auszugleichen, die zunehmend mit den Auswirkungen der Erderwärmung und vor allem einer bestätigten Klimastörung konfrontiert sein wird.
Dieser Artikel ist erstmals in französischer Sprache bei La Presse erschienen (Autor: Hatem Baccour | Directeur de la Recherche et du Développement à l’Institut national de la météorologie)
Titelbild: Windhose über dem Cap Bon nahe Fartouna am Sonntag, den 25. August 2019